In meinem ersten Blogbeitrag erzähle ich von meinem ersten Einsatz als Fotograf für die Stiftung Dein Sternenkind.
Die Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, Eltern von Sternenkindern „Das erste und das letze Bild“ zu schenken und so eine wertvolle Erinnerung für die Ewigkeit zu schaffen.
Wenn du mehr über die Stiftung und meine ehrenamtliche Tätigkeit erfahren möchtest, dann hör dir gern die erste Podcastfolge unserer Leuchtfeuer-Serie an.
Am Montagabend, 15.07.2024 saß ich zusammen mit meiner Frau auf dem Sofa. Unsere Große hatte ich zuvor in den Schlaf begleitet (bzw. eigentlich gekämpft, denn sie ist ein kleines Energiebündel) und unser Kleiner (4 Wochen alt) nuckelte genüsslich an Mamas Brust.
Auf einmal vibrierte mein Handy und ich sah einen Alarm mit Ortsangabe Geesthacht. Sofort ins interne Forum der Stiftung geschaut: tatsächlich, es ist das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht. Eben das Krankenhaus, in dem vor vier Wochen unser Kleiner und vor guten eineinhalb Jahren die Große zur Welt gekommen ist.
Ich wurde unruhig und sprach meine Frau vorsichtig von der Seite an. Wir hatten uns geeinigt, dass meine aktive Zeit bei Dein Sternenkind solange warten muss, bis der Kleine geboren ist. Offizielles Mitglied bin ich schon seit November 2023. Sollte das nun mein erstes Sternchen sein? Die Nähe zu meinem Wohnort und die Tatsache, dass ich mich in der Klinik gut auskenne, waren Argumente für eine positive Rückmeldung zum Alarm. Dagegen sprach, dass wir einen vier Wochen alten Säugling und eine quirlige Tochter zuhause haben, die ich als Kombi derzeit nicht, oder nur für kurze Zeit, meiner Frau allein aufs Auge drücken möchte. Dementsprechend musste für Kinderbetreuung durch Oma gesorgt werden.
Wir haben uns drauf verständigt, dass ich meiner ursprünglich zugeteilten Mentorin (1) eine Nachricht schicke und frage, ob wir kurzfristig morgen (also am Dienstag) telefonieren können, da ich mir vorstellen könnte, den Einsatz zu übernehmen. Eigentlich waren wir für ein Telefonat am Mittwochabend verabredet. Parallel dazu teilte ich im Forum meine Bereitschaft mit, den Einsatz übernehmen zu wollen.
Am nächsten Morgen antwortete meine Mentorin und teilte mir mit, dass es heute leider nichts wird mit einem Telefonat, sie sich aber um Ersatz bemühe.
Gegen 8 Uhr rief mich dann eine liebe Koordinatorin (2) an und sagte mir, dass ich mich gern als Ansprechpartner in der Klinik melden kann. Sollte ich selbst nicht übernehmen können, dann würde nochmal alarmiert.
„Das Sternchen sucht sich seinen Fotografen aus“
– Mentorin von Dein Sternenkind
Mittlerweile war ich aber fest davon überzeugt, dass dies mein erster Einsatz werden sollte. Ich hab mal irgendwo im Dein Sternenkind-Forum den Satz gelesen „Das Sternchen sucht sich seinen Fotografen aus“. Irgendwie ging es mir die ganze Zeit so ab dem Moment, als ich am Abend zuvor „Geesthacht“ gelesen hatte.
Also rief ich im Kreissaal an und es meldete sich die leitende Hebamme, die mir sogleich mitteilte, dass die kleine A. gerade in diesem Moment geboren wurde. Es würde nun die Erstversorgung durchgeführt und man würde sich „in nächster Zeit“ bei mir melden.
In der Zwischenzeit löffelte ich mit der Großen ihr Müsli und machte sie anschließend fertig für einen Ausflug. Meine Frau telefonierte währenddessen mit Oma, die wir als Option für die Kinderbetreuung in Betracht gezogen hatten. Leider keine Zeit, „verdammt“ dachte ich. Wir schauten uns nochmal in die Augen und machten ab, dass ich den Einsatz trotzdem antreten könne, sofern der Zeitpunkt in die Mittagszeit fällt. Dann hält nämlich die Große ihren ausgiebigen Mittagsschaf und wir könnten um eine Betreuung herumkommen.
Um 09:30 Uhr fuhr ich mit meiner Tochter mit dem Rad zu den „Offenen Räumen für Familien“ hier im Ort. Eine Art Miniclub mit gemeinsamem Frühstück in lockerer Atmosphäre.
Ich schälte gerade eine Banane, als mein Handy klingelte. Es war eine weitere Mentorin von Dein Sternenkind, die sich dankenswerterweise ersatzweise bei mir gemeldet hat. Wir verabredeten uns für 11:30 Uhr zum Telefonat.
Kaum wieder hingesetzt klingelte schon wieder mein Handy. Dieses Mal war es eine Hebamme aus Geesthacht. Nicht irgendeine, sondern die, die meine Tochter mit auf die Welt gebracht hat. Die kleine A. und ihre Eltern wären nun bereit für Fotos, hieß es. Ich teilte ihr mit, dass ich um 13 Uhr vor Ort sein könnte. Geht in Ordnung, bis später!
Um 11 Uhr ging es nach Hause und mir fiel ein, dass es ja noch Mittagessen geben muss. Mein Appetit hielt sich zwar in Grenzen, aber frag mal unser Energiebündel. Also schnell Essen vom Vortag aufgewärmt und der Mentorin geschrieben, dass ich es erst gegen 12 Uhr schaffe.
Um 5 vor 12 lag die Große im Bett und ich packte zügig meine Sachen zusammen.
Um Punkt 12 Uhr setzte ich mich an den Schreibtisch und rief meine Mentorin an. Nach 15 Minuten wechselte ich ins Auto und wir sprachen weiter. Das Gespräch mit ihr war so wertvoll und der Satz am Ende „Tim, du rockst das jetzt!“ hat mich unglaublich bestärkt.
Ich parkte mein Auto und klemmte das Dein Sternenkind-Parkschild an die Autoscheibe. Ich betrat das Krankenhaus und nahm die Treppe. 3. Stock, Frauenklinik. Als wäre es erst gestern gewesen. Vor der Tür zum Kreissaal hielt ich noch kurz inne und sammelte mich. Dann drückte ich die Klingel.
„Willst noch ’nen Kaffee?“
– Hebamme
Die liebe Hebamme, mit der ich zuvor telefoniert hatte, öffnete die Tür. „Solls gleich losgehen? Willst noch ’nen Kaffee?“. Etwas perplex antwortete ich, dass ich dazu nicht sein sagen würde. Schwarz, bitte.
Wir bogen rechts um die Ecke im Flur und ich ahnte es schon. Das Familienzimmer war jenes, in dem meine Frau vor vier Wochen zunächst ans CTG angeschlossen wurde, bevor es dann in den Kreissaal ging. Wieder ein merkwürdiges Gefühl.
Als ich das Zimmer betrat traf ich auf zwei ganz liebe Eltern. Der Papa wirkte auf mich sehr gefasst und kam sogleich mit seinem Kaffee in der Hand auf mich zu. Die Mama lag im Bett und telefonierte gerade, neben ihr lag die kleine A. in ein weißes Handtuch eingekuschelt. Ich unterhielt mich ein bisschen mit dem Papa, sprach ihm mein Mitgefühl aus und merkte ziemlich schnell, dass er froh war, mal mit jemand anderem als dem Klinikpersonal sprechen zu können. Mittlerweile wurde mir mein Kaffee gebracht und die Mama beendete das Telefonat. Wir sprachen noch eine Weile, unter anderem über meine Beweggründe, als Fotograf bei Dein Sternenkind aktiv zu sein. Die Eltern waren sichtlich gerührt und zu dem Zeitpunkt schon sehr dankbar, da sie bisher (wie die meisten Eltern) noch nie etwas von Dein Sternenkind gehört hatten.
Dieses anfängliche Gespräch mit den Eltern hat mir jedoch sehr geholfen, in der für mich neuen Situation anzukommen.
Ich merkte, dass es Zeit war, das Ruder zu übernehmen und mit dem Fotografieren zu beginnen. Zunächst ging ich zu A., betrachtete sie einen Augenblick und erzählte ihr, was ich nun vorhabe. Sie war wirklich zauberhaft. Das war für mich irgendwie ein überwältigendes Gefühl und merkwürdigerweise war ich in dem Moment glücklich. Wahrscheinlich weil ich wusste, dass ich gleich wertvolle Erinnerungen schaffen würde. Zum Glück war das Zimmer recht hell und neben der Fensterfront stand ein Wickeltisch, auf dem ich zusammen mit den Eltern eine kuschelige Unterlage aus mehreren mitgebrachten Mulltüchern bastelte. Anschließend brachte der Papa seine A. zum Wickeltisch und bettete sie sorgsam. Ich fing einfach an zu fotografieren und die Eltern beobachteten mich aus dem Hintergrund. Ich war direkt froh über meine Entscheidung, mit elektronischem Verschluss zu fotografieren. Die Stille im Raum durch das ständige Klacken des mechanischen Verschlusses zu unterbrechen wäre einfach unpassend gewesen.
Nach den ersten Aufnahmen wandte ich mich den Eltern zu und fragte, ob sie vielleicht ein bisschen Kontakt zu ihrer kleinen aufnehmen wollen. Besonders die Mama tat sich schwer, daher fing der Papa an und schob seine Hand unter die von A.. Nach ein paar Fotos konnte die Mama sich auch überwinden und tat es ihm gleich, was ich sehr schön fand.
Während ich ein paar Detailfotos machte gab ich den Eltern eine kleine Schachtel mit den Erinnerungsstücken, sodass sie sich etwas für die kommenden Fotos aussuchen konnten. Sie freuten sich besonders über die gehäkelten Sternchen.
Nach 20 Minuten des Fotografierens merkte ich, dass die Eltern einen Moment für sich brauchten. Ich ging für einige Minuten aus dem Zimmer, bis mich der Papa schließlich wieder hereinbat.
Zu Beginn waren die Eltern sich sehr unsicher, ob sie überhaupt ein gemeinsames Foto mit ihrer A. machen möchten. Da sie nun aber schon Körperkontakt aufgenommen hatten, fragte ich nochmal nach. Zum Glück. Die letzten Fotos entstanden auf dem Bett, Mama und Papa aneinander gekuschelt mit ihrer A. im Arm.
„Danke, dass ich dein Fotograf sein durfte.“
– Tim
Zum Schluss ließ ich den Papa noch die beiden Fotografenvereinbarungen ausfüllen, bevor ich mich verabschiedete. Ich nahm mir auch noch einmal eine Minute Zeit für A. Ich streichelte ihr sanft über die Wange und bedankte mich dafür, dass ich sie für ihre lieben Eltern fotografieren durfte. Da stiegen mir zum ersten Mal die Tränen in die Augen.
Die Eltern fragten mich, ob sie mich zum Abschied umarmen dürften. Ich stimmte zu und bekam zwei innige Umarmungen, die mir Gänsehaut bereiteten. Als ich das Zimmer betrat war ich fremd, nach dieser einen Stunde dann so sehr verbunden. Das war ein ganz besonderes Gefühl und eine schöne Erfahrung für mich.
Draußen auf dem Flur traf ich nochmal auf die liebe betreuende Hebamme und verabschiedete mich auch von ihr. „Herzlichen Dank, dass du da warst.“.
Zurück am Auto setzte das Gefühl der Euphorie ein, von dem ich bereits von einigen anderen nach ihren Einsätzen gelesen habe. Ich hatte das Gefühl, etwas großartiges getan zu haben und fuhr in aller Ruhe nach Hause. Zuhause meldete ich den Einsatz als erledigt und gab meiner Mentorin kurz Bescheid, dass ich es „gerockt“ habe.
Ich hätte mir keinen besseren ersten Einsatz wünschen können. Durch das anfängliche Gespräch mit den Eltern fiel meine Anspannung ab und ich konnte eine Verbindung aufbauen.
Mir ist natürlich klar, dass auch schwierigere Einsätze folgen werden aber für mich steht fest: es war die richtige Entscheidung, sich bei Dein Sternenkind zu bewerben.
Begriffserklärungen:
1) Mentorinnen und Mentoren
Erfahrene Fotografinnen und Fotografen der Stiftung, die den neuen Fotografinnen und Fotografen mit Rat und Tat zur Seite stehen und insbesondere vor, während und nach dem ersten Einsatz intensiv unterstützen.
2) Koordinatorinnen und Koordinatoren
Angehörige der Stiftung, die ähnlich wie in einer Einsatzzentrale die Anrufe von bspw. dem Krankenhauspersonal entgegennehmen, und so den darauffolgenden Einsatz für eine Fotografin oder einen Fotografen koordinieren.