Das Leben ist manchmal absolut unfair, grausam und hält einige Prüfungen für einen bereit. Dieses Jahr haben wir wohl die übelste Form derartiger Prüfungen „erwischt“. Mit der Zusage für das Haus hatten wir gefühlt den Jackpot geknackt.
Ab März 2022 sollte der Umzug losgehen. Urlaub hatten wir ab dem 28.02. und ich war überfällig. Am 02.03. habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht, welcher positiv war. Trotz kurz aufkommender Panik bei mir, weil ich als Umzugshilfe wegfalle, war unser Glück perfekt. Den Umzug konnten wir Dank Hilfe auf der Familie gut über die Bühne bringen.
Die ersten Schwangerschaftsmonate waren für mich nicht so schön, weil mir dauerschlecht war. Doch das hat sich ab dem 2. Trimester gelegt. Jede Untersuchungen waren unauffällig und unser kleines Glück wurde größer und war vor allem gesund. Auch mein Bauch ist schnell gewachsen und ich liebte diese Kugel. Auszusprechen dass ich schwanger war, war nach wie vor komisch für mich. Langsam bemerkte ich die zarten Bewegungen im Bauch, doch war ich mir häufig nicht sicher, ob es der Babyhase oder einfach meine Verdauung war. Im Juni fingen Hannes und ich uns Corona ein. Ausgerechnet in der Schwangerschaft. Auch wenn ich es nicht so oft zugeben habe, hatte ich mächtig Angst, dass dem Babyhasen etwas passiert. Zumal ich ihn noch nicht regelmäßig spürte.
An Hannes‘ Geburtstag war es soweit. Man konnte den Babyhasen nun von außen spüren und Hannes begann öfter ein „Hallo“ in den Bauch zu rufen. Am 28.06. stand das 2. Screening an und wir sollten erfahren, ob der Babyhase ein Junge oder ein Mädchen ist. Ich bekam beim Ultraschall die Toilettenansicht und es sah ganz nach einem Mädchen aus. Perfekter konnte es nun wirklich nicht werden. Während des Ultraschalls hat die kleine Maus am Daumen gelutscht und uns das schönste Ultraschallbild überhaupt beschert. Diese kleine perfekte Nase und die erkennbaren Gesichtskonturen. Das war unser perfektes Baby und im Herbst konnten wir sie in den Armen halten und ihr die große weite Welt zeigen.
Wir haben ihr Zimmer hergerichtet und von vielen Seiten Kleidung erhalten. Ich liebte es, wenn sie im Bauch aktiv war und sich fast jedes Mal meldete, wenn ich etwas gegessen habe.
Am 14.08. waren wir auf dem Konzert von Wincent Weiß. Vorher sind wir auf der Autobahn an ihm vorbei gefahren. So viele Glücksgefühle an diesem Tag. Ab dem 15.08. hatten wir dann auch Sommerurlaub, doch sind nicht weggefahren, da so viele Termine anstanden u.a. der erste Geburtsvorbereitungskurs am 17.08. Der Babyhase hat im Bauch mitgeturnt.
Am Wochenende kam ich in die 30. Schwangerschaftswoche – doch etwas war anders. Irgendwie spürte ich den Babyhasen nicht mehr. Ich wollte mich auch nicht verrückt machen. Vielleicht lag sie ja so, dass sie Richtung Rücken geboxt hat und immerhin war es jetzt der 8. Monat und der Platz im Bauch wird weniger. Montag rief mich die Praxis an und teilte mir mit, dass zum 3. Screening mein Mann mitkommen könnte. Endlich konnte Hannes sie auch live sehen und den Herzschlag hören. Ich sollte auch das erste Mal ans CTG. 23.08. -> wir sind aufgestanden und haben uns beim Frühstück über den Termin unterhalten. Ich scherzte noch, dass sich heute bestimmt doch rausstellt, dass sie eigentlich ein Junge ist. Wir redeten noch einmal darüber, dass ich mir schon Sorgen mache, weil ich selten Kindsbewegungen spürte. Daraufhin googelte er und las vor, dass viele Frauen sich sorgen, es jedoch normal ist, dass man ab der 30. Schwangerschaftswoche weniger Bewegungen spürt. Ich glaube irgendwie, dass wir beide eine Vorahnung hatten, dass heute (wenn Hannes das erste Mal mit darf) ein Hammer kommen wird. Der Termin sollte um 11.30 Uhr sein. Vorher haben wir noch im Garten gewerkelt und wollten nach dem Gyn noch in den Baumarkt. Wir fuhren los. Hannes sollte sich draußen hinsetzen und ich durchlief die normale Routine im Labor. Mein Blutdruck fiel heute aus dem Rahmen, war aber noch im normalen Bereich. Nach dem Labor sollte ein CTG geschrieben werden. Zwei Schwestern haben ewig nach dem Herzschlag gesucht und sagten mir währenddessen, dass das schon einmal passieren kann. Nach erfolgloser Suche sollte erstmal der Ultraschall vorgezogen werden, um zu schauen, wie sie liegt und man weiß, wo man das CTG legen muss. Also ging ich zu Hannes und hatte bereits Panik. Hannes versuchte mich mit Blicken zu beruhigen. Wir wurden aufgerufen. Die Ärztin fragte, wie es so geht. ich sagte, dass ich kaum Kindsbewegungen spüre, aber dass das bestimmt mit dem Platzmangel zusammenhängt. Sie ließ das unkommentiert und bat mich direkt zu Liege. Gefühlt keine Minute nachdem sie begann zu schallen, atmete sie tief ein und sagte „Frau Pahl, das Herz Ihres Babys schlägt nicht mehr“. Wie schnell doch die Welt zusammenbrechen kann. Sie schallte noch weiter und hat die üblichen Messungen vorgenommen, während ich dort lag, weinte und es einfach nicht glauben konnte. Hannes saß die ganze Zeit auf dem Stuhl, Hände im Gesicht und weinte ebenfalls. Die Ärztin klärte uns auf, dass ich es gebären müsse und hat uns geraten, die Entbindung in Lüneburg zu machen, damit unser Wunschkrankenhaus nicht „verbrannt“ wird. Sie wollte mich dort anmelden und mich dann anrufen. Ich weiß nicht mehr, wie oft, aber sie beteuerte sehr oft, dass es ihr Leid tat. Ich dachte nur die ganze Zeit, „was soll ich darauf sagen?“. Ich nickte immer nur und sagte „Danke!“. Ich wollte einfach nur noch raus da, raus und das alles vergessen. Die haben sich doch bestimmt, nein ganz sicher haben die sich geirrt. Ich war doch schon so weit, wenn was wäre, hätte man sie einfach holen können und hätte großartige Überlebenschancen. Hannes ist schon rausgegangen als ich auf die Überweisung ins Krankenhaus wartete. Unten angekommen nahmen wir uns in Arm, ich weinte und fragte, ob das irgendwie Karma sei. Haben wir irgendwas angestellt, dass uns das jetzt passiert? Wir fuhren Heim – irgendwie wie in Trance. Daheim angekommen nahmen wir uns keine Zeit für uns. Wir nahmen unsere Telefone und riefen alle (Eltern, Geschwister, Arbeitgeber, etc.) wie ferngesteuert an. Hannes saß auf dem Küchenboden. Den Anbllick meines babybauches konnte er nicht ertragen oder ihn bei der Umarmung spüren. Für mich war mein geliebter Babybauch mit der Diagnose plötzlich ganz schwer und das Wissen, das unser totes Baby da drin war, war in gewisser Art ein abstoßender Gedanke. Schwiegermutter und ihr Schwester kamen vorbei und mich rief meine Ärztin an und sagte, dass ich morgen um 7.30 Uhr da sein kann. Sollte ich es jedoch nicht aushalten, könnte ich auch jetzt schon hin. Eine weitere Nacht hier zu Hause mit unserem toten Baby im Bauch, was für ein furchtbarer Gedanke. Nach kurzer Beratung wie ich in Lüneburg an und fragte, ob ich jetzt schon kommen darf. Schwiegermutter und ich packten eine Tasche für mich und Hannes packte vorsichtshalber auch für sich eine. Die Fahrt war elendig lang. Ständig diese Frage: „Warum ist das jetzt so gekommen?“ Wir haben am Wochenende die letzte große Anschaffung gemacht und das Beistellbett aufgebaut, wie kann das sein? Hannes und ich redeten von Beginn an offen miteinander. Während der Fahrt hatten wir den selben Gedanken. Bei meinem ersten Aufenthalt im Krankenhaus hatte ich einen „Probelauf“ bzgl. OP7Narkose und jetzt eine Schwangerschaft mit allem Pipapo nur ohne mein Kind, das ich daheim umsorgen darf. Also in gewisser Weise Schwangerschaft und Geburt als Probelauf. Wir überlegten, ob wir unser Baby nach der Geburt sehen möchten. In diesem Punkt waren wir sehr unschlüssig bzw. ich war es, Hannes wollte es nicht.
Im Krankenhaus angekommen, mussten wir uns anmelden. Was sagt man da? „Ich will mein totes Baby hier zur Welt bringen. Ich möchte zum Kreissaal.“? Also sagte ich „ich möchte mein Baby hier entbinden.“ Die Dame lächelte und sagte „Oh, da freuen wir uns aber.“. Wir gaben ihr irgendwie zu verstehen, dass das leider kein Grund zur Freude ist. Die arme Frau, sie konnte es nicht wissen und hat sich bestimmt deswegen Vorwürfe gemacht. Sie entschuldigte sich. Hannes und ich fuhren in den 5. Stock und meldeten uns beim Kreissaal. Wir mussten einen Moment warten. Es blieb natürlich nicht aus, dass wir auf der Station Babygeschrei hören. Direkt kam wieder der Gedanke, dass wir das nicht haben werden…jedenfalls nicht zeitnah. Wir wurden von einer Ärztin aufgeklärt und über unsere Möglichkeiten unterrichtet. Wir wurden gefragt, ob wir sie sehen möchten, es wurde erklärt, dass ein Sternenfotograf sie fotografieren kann und wir uns die Bilder ansehen können, wenn wir bereit dafür sind. Uns wurde auch erklärt, dass wir sie bestatten lassen müssen. Ich sollte dann noch einmal geschallt werden. Hannes fragte, ob es okay sei, wenn er draußen wartet, was ich bejahte. Als er draußen war, sagte mir die Ärztin, dass ich mir keine Vorwürfe machen soll. Es sei nicht meine Schuld, dass der Babyhase in meinem Bauch gestorben ist. Sie fragte mich, ob ich beim Ultraschall mitgucken möchte, was ich bejahte. Sie zeigte noch einmal, wo das Herzchen schlagen sollte und hat unsere kleine Maus vermessen. Nach dem Ultraschall erklärte sie mir, dass es sein kann, dass ich ausgekratzt werden muss und die damit einhergehenden Risiken. Ich bekam einen Zugang und Abendbrot und wartete mit Hannes und Schwiegermutter darauf, mein Zimmer beziehen zu können. Hannes hätte ebenfalls bei mir bleiben können, doch wir legten fest, dass wir schauen, wie der Abend sich entwickelt und er je nachdem Heim fährt oder bleibt.
Hannes fuhr Heim und ich blieb im Krankenhaus. Bevor er fuhr, erhielt ich die erste Einleitung.