Liebe Freunde, liebe Familie,
„Ein viel zu großer Asteroid schlägt mitten ein ins Paradies.“ Diese erste Zeile von Johannes Oerdings „Kaleidoskop“ könnte kaum passender sein. Wir waren im Paradies, da alles so lief, wie wir es ungefähr geplant haben. Wir wollten uns wohnlich vergrößern und dahin ziehen, wo es ruhig ist, damit wir dort eine Familie gründen können. Die Zusage für das Haus kam, der Urlaub für den Umzug begann und wir erfuhren, dass wir Nachwuchs erwarten. Als hätte hier eine höhere Macht ihre Finger im Spiel gehabt. Eine wilde Reise begann. Der Nestbau ging los.
Wir hatten so viele schöne Momente mit unserem Baby im Bauch. So ziemlich jeder weiß, welch hohen Stellenwert Musik für uns hat. Auch unser Babyhase (wie, wir sie nannten) hat auf Musik reagiert. Umso schöner und stolzer waren wir, dass wir das erste Konzert seit der Pandemie mit ihr im Bauch besuchen konnten. Doch plötzlich zeigt dir das Leben, dass es nicht immer so läuft, wie du es planst, denn:
„Das Leben ist nicht, was Du planst, sondern was passiert.“
1 ½ Wochen später erfuhren wir, dass diese höhere Macht einen anderen Plan für Louisa hatte. Worte können unsere Trauer nicht ausdrücken – auch jetzt noch nicht. Zu gerne hätten wir Lou das Leben außerhalb des Hasenbaus zeigen wollen. Stattdessen konnten wir sie gar nicht richtig kennenlernen, oder ihr in die Augen sehen und diese pure Liebe darin spüren.
Trotzdem heißt es im Eröffnungstrack „When we are apart, still feels like home“ – also: auch wenn wir getrennt sind, fühlt es sich immer noch wie Zuhause an und Zuhause ist da, wo dein Herz ist.
Apropos Herz. Im Moment der „Diagnose“ wurde uns eben jenes rausgerissen. Wir beide wussten nicht, wie wir wieder auf die Beine kommen sollten und das Leben schien still zu stehen. Es fühlte sich an, wie in einem Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Bei dem Du vorher schon das Ende kennst und trotzdem hoffst Du auf einen guten Ausgang. Wer von uns hofft nicht jedes Mal, dass die Titanic doch nicht sinkt?
Schnell haben wir jedoch gemerkt, dass es weiter gehen kann, darf und muss.
In dem Lied von Johannes Oerding heißt es:
„Irgendwann fängt es an sich zu verändern
Sommer im Dezember
Irgendwann is da’n Feuerwerk im Juni, Neuanfang im Juli
Aus kalt und weiß wird heiß und rot
Und nichts bleibt gleich Kaleidoskop“
Diese besungenen Veränderungen machen wir nun alle, jeder in seinem Tempo. Dabei hat sich, trotz der vielen traurigen und tragischen Ereignissen, auch eine große Dankbarkeit gezeigt. Wir sind dankbar, dass das Band zwischen uns als Partner noch viel fester wurde, wir unendlich viel Nächstenliebe und Anteilnahme durch Familie, Freunde, Bekannte und auch Ärzte, Hebammen und Bestatter erfahren durften. Wir lernten, dass Dinge in Verbindung mit Traurigkeit und Verlust auch schön sein können und wir das auch so aussprechen dürfen. Dass Negatives schöner wird, wenn Du es ins Positive drehst.
Nicht zuletzt empfinden wir tiefe Dankbarkeit für die Beharrlichkeit und den Raum für das Treffen von Entscheidungen, welcher uns im Krankenhaus gegeben wurde. Vielleicht würden wir ohne dies heute keine Familienfotos besitzen, uns fragen, wie Lou ausgesehen hätte oder überhaupt einen Beleg für ihre Existenz und somit etwas, woran wir festhalten können, haben. Wir wünschen unserem Babyhasen, dass sie frei und wild über die grünen Wiesen hüpft und als Teil unserer Familie von oben über uns wacht. So wie wir für sie alles hier unten vorbereitet haben, so bereitet sie nun alles für uns da oben vor.
Vor allem möchten wir heute jedoch weniger über den Verlust unserer Tochter trauern, sondern feiern, dass wir sie, wenn auch nur noch im Herzen, bei uns tragen.
Lou – wir lieben Dich, werden Dich nie vergessen und freuen uns Dich irgendwann wiederzusehen. Und wenn Du zwischendurch einen Regenbogen erwischt, nimm all deinen Mut zusammen, rutsche herab und schau kurz vorbei.